Nachwuchswissenschaftler und –wissenschaftlerinnen aus dem deutschsprachigen Raum trafen sich vom 16. bis 17. Juni in Goslar im Rahmen der „Ökobilanz-Werkstatt“ des Netzwerks Lebenszyklusdaten um sich fachlich über ihre Arbeiten zur Thematik der Lebenszyklusanalyse auszutauschen. Themenschwerpunkte der Arbeiten bildeten neben allgemeinen methodischen Fragestellungen zur Lebenszyklusanalyse, die Themen Biokraftstoffe, die Holznutzung und deren Bewertung, sowie die Bewertung von Bauprodukten und Gebäuden.
Haus Hessenkopf
In der Session "Bewertung der Holznutzung" wurden die Rahmenbedingungen und Ergebnisse der Ökobilanzierung des Anbaus und der Verwendung von Holz aus Kurzumtrieb durch Anne Rödl (vTI/ Universität Hamburg) dargestellt. Die damit verbundenen Herausforderungen wie die Handhabung z. B. der Wirkungskategorie Landnutzung, von Bodenkohlenstoff und insbesondere von Lachgasemissionen durch Dünger wurden intensiv diskutiert. Anschließend wurden die Nutzungskonkurrenzen einer energetischen und stofflichen Nutzung forstlicher Ressourcen durch ein Stoffstrommodell von Silke Feifel (Forschungszentrum Karlsruhe) vorgestellt, wobei die damit verbundenen ökologischen wie ökonomischen Wirkungen quantifiziert werden sollen, um anhand dieser zu optimieren.
In einer weiteren Workshopsitzung wurde zum einen das Produkt Gebäude, zum anderen Bauprodukte thematisiert. Welchen Sinn machen Umweltproduktdeklarationen von Bauprodukten, die sich lediglich auf die Herstellungsphase beziehen? Ist die Bauleistung bei Lebenszyklusbetrachtungen von Gebäuden aufgrund langer Nutzungsdauern von geringer Relevanz? Alexander Passer (TU Graz) wies nach, dass abhängig vom Gebäudetyp Bauleistungen über den Lebenszyklus hinweg von ähnlicher Bedeutung sind wie die Gebäudenutzung, wobei Errichtung und Instandhaltungsmaßnahmen etwa gleichermaßen Anteil an der Umweltlast der Bauleistung haben. Christian Manthey von der TU Dresden präsentierte einen zweistufigen Ansatz zum entwicklungsbegleitenden LCA/LCC am Beispiel innovativer holzbasierter Bauelemente. Eine besondere Herausforderung liegt dabei in der Festlegung der Funktionellen Einheit.
In der Session "Bewertung von Biokraftstoffen" wurden von Alexander Sonntag (Forschungszentrum Karlsruhe/ Uni Karlsruhe) erneuerbare Rohstoffe zur Kraftstoffherstellung auf Basis einer Lebenszykluskostenanalyse untersucht. Dieser Vortrag über die Modellierung des bioliq®-Verfahrens führte zu einer Diskussion über die Handhabung von Kalkulationszinssätzen und Kostenschätzungen allgemein. Leif-Patrick Barthel (Universität Stuttgart) berichtete über die Erzeugung und Nutzung von Biomethan aus Abfällen als Kraftfahrzeugtreibstoff und einzelnen Fragestellungen, die im Rahmen des EU-Projektes Biogasmax mit Hilfe einer Lebenszyklusuntersuchung analysiert werden wie z. B. die Aufbereitung von Biogas zu in Fahrzeugen nutzbarem Biomethan.
Als Einstieg in den Themenbereich der Bewertung von Flächennutzung präsentierte Barbara Urban (von-Thünen-Institut) in einem Übersichtsvortrag den Stand der derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion. Ein Teilaspekt von Flächennutzung, die Einflüsse auf Biodiversität, ist das eigentliche Forschungsthema von Barbara Urban, über das sie im Anschluss referierte. Die Nutzung von Geografischen Informationssystemen kann dabei ein nützliches Werkszeug sein. Auch Maria Bystricky (TU München) betonte die Notwendigkeit zur räumlichen Differenzierung. Das Ziel Ihrer Arbeit ist die Identifizierung bestgeeigneter Energiepflanzen in Bayern zur Bereitstellung eines gewissen energetischen Nutzenkorbs.
In Ergänzung zu einzelnen Workshopsitzungen wurde am Ende des ersten Tags im Plenum über die „Bewertung von Biokraftstoffen als Beispiel für Möglichkeiten und Beschränkungen von Ökobilanzierung“ diskutiert. Einleitend trug Prof. Krahl (Hochschule Coburg) über „Emissionen und Umweltwirkungen von Biokraftstoffen“ vor und demonstrierte, dass sich die Diskussion um Biomassenutzung nicht in energetischen Betrachtungen erschöpfen darf. In einem zweiten Impulsvortrag zu "Nutzen und Limitierungen der Ökobilanzierung im Kontext Biokraftstoffe" illustrierte Herr Dr. Krinke (Volkswagen AG) Anwendbarkeit und Anwendung des Bewertungswerkzeugs Ökobilanz in der industriellen Realität. Am Beispiel des Themas der Biokraftstoffe wurden allgemeine methodische Fragestellungen in einer offenen Gesprächsrunde von allen Teilnehmern angeregt debattiert.
Die Sitzungen des zweiten Tags waren weniger durch Anwendungsgebiete geprägt, sondern gemeinsame methodische Fragestellungen.
In der Session „LCA: Grenzen und Weiterentwicklung“ wurden verschieden Aspekte aus dem Bereich der Methodik der Ökobilanzierung beleuchtet. Daniela Kölsch (BASF AG) beschrieb in ihrem Vortrag die Entwicklung einer Bewertungsmethode, mit der umfassend eine sozio-ökonomische Analyse von Substanzen durchgeführt werden soll. Diese soll auf der SEEBALANCE® Methode zur Bewertung von Chemikalien basieren. Thomas Dederichs (RWTH Aachen) beschrieb in seinem Vortrag die Grenzen der Ökobilanzierung in der Energieversorgung. Die Analyse der zeitlichen Abhängigkeit der Emissionsbehaftung des deutschen Strommixes führte unter anderem zu einer Neubewertung der CO2-Emissionen von Nachtspeicherheizungen.Der Vortrag von Sibylle Wursthorn (Forschungszentrum Karlsruhe) hatte die Nutzung von EPER (European Pollution Emission Register)- Daten für verschiedene Arten der Umweltbewertung zum Thema, beispielsweise die Umweltproduktbewertung.
Die Auffassung von Sachbilanz-Erstellung als Arbeitsprozess war den drei Beiträgen der Session "LCI: Flexibilisierung der Sachbilanzerstellung" gemein. Stefan Diederichs (Universität Hamburg) entwickelt ein schrittweises Prozedere zur Datenakquise und kosteneffizienten Sachbilanzerstellung. Wolfgang Walk (Forschungszentrum Karlsruhe) ging in seinem Beitrag der Frage nach, wie durch angepasste Modellbildung die Dauerhaftigkeit und vielseitige Einsetzbarkeit von LCI-Modulen adressiert werden kann. In Datenbanken liegt ein großer Fundus an LCI Datensätzen, dennoch entsprechen die hinterlegten Daten nicht immer den spezifischen lokalen Gegebenheiten. Cecilia Makishi-Colodel (Universität Stuttgart) hat ein Vorgehen entwickelt, LCI-Datensätze auf Anwendbarkeit zu prüfen und ggf. über Anpassungsfaktoren an die länderspezifischen Gegebenheiten anzupassen. Dieser Ansatz verbessert Aussagequalitäten und bedient auch ein steigendes Interesse an Ökobilanzierung in Südamerika und Asien.